Schlaglichter
Pilatus sprach zum Pontius - 40 Jahre Verlag Sackmann und Hörndl (Eckart Sackmann, comicplus+ 2025, 56 S., HC, farbig)
Alles kommt, wie's kommen muss - 35 Jahre Verlag Sackmann und Hörndl (Eckart Sackmann, comicplus+ 2020, 56 S., HC, farbig)
Die Comics mit dem großen Plus+ - 25 Jahre Verlag Sackmann und Hörndl (Eckart Sackmann, comicplus+ 2010, 56 S., HC, farbig)
Unsere deutschsprachige Comicszene ist nie nur durch große Verlage bestimmt,
sondern immer wieder durch die Initiative Einzelner und durch kleinere Verlage
belebt und gestaltet worden, bei denen oft das Gewinnstreben hinter der
Begeisterung für den Comic zurückstand. Solche Comicverlage gibt es noch
immer. Aber für den Verlag Sackmann und Hörndl ist nach 40 Jahren
nun Schluss, nachdem der Verlag im Sommer 2024 noch ein letztes Mal einen
Comicroman herausgab (s. "Benjamin"). Doch die wissenschaftliche Buchreihe
"Deutsche Comicforschung" findet damit kein Ende, dem beharrlichen Eckart sei
Dank, sondern erscheint nunmehr im "Verlag Eckart Sackmann · comicplus+".
Auch der reich bebilderte Rückblick auf die vergangenen vierzig Jahre des Verlags
Sackmann und Hörndl erscheint dieser Tage in dem neuen Verlag. Er schließt
einerseits an die beiden Vorgängerbände für das 25- und 35-jährige Jubiläum an
und beginnt andererseits doch wieder ganz vorn, als sich Peter Hörndl 1981 mit
seiner Expertise bei den Herausgebern des "Stachelkopf", einer "Mecki"-
Fanzeitschrift, meldete, wodurch alles seinen Anfang nahm. – Durch den
autobiographisch angelegten Text gelingt es dieser Verlagsgeschichte, einen
Einblick in die Frühzeit der Szene zu geben und zudem über Wandlung und
Vergänglichkeit nachdenken zu lassen.
Brüssel - Der große Traum (François Schuiten/Benoît Peeters, Schreiber & Leser 2025, 128 S., HC, farbig)
Nicht zu verwechseln mit dem legendären Werk "Brüsel", ein Comic, der zum
Zyklus der Geheimnisvollen Städte gehört, legen die beiden Autoren
mit dem Band "Brüssel" ein Buch vor, welches die Architekturgeschichte der
belgischen Hauptstadt zum Gegenstand hat. Es ergänzt das, was man in den
Geheimnisvollen Städten erfuhr, zum Beispiel über eine aus dem
Ruder laufende Stadtplanung oder einen Wildwuchs an Baustellen, verrät jedoch
vornehmlich die Begeisterung der Autoren für die Kunst der Architektur und für
die in Brüssel tätig gewordenen Architekten. Darunter ist dann tatsächlich einer,
dessen Vorstellungen von einem repräsentativen Bau weit über ein vernünftiges
Maß hinausgingen ("in der größten Anhäufung von Quadersteinen in Europa").
Erstaunlich, wie lange man ihn weiterbauen ließ, doch das benötigte Geld war
offenbar vorhanden. Und dann gab es einen Bürgermeister, der den Fluss, der
durch Brüssel fließt, komplett überbauen ließ, um das völlig verschmutzte Wasser
nicht mehr zu sehen. Aus den Augen, aus dem Sinn. Ein weiteres Kuriosum der
Stadt ist der Bau eines Ateliers für die riesigen Gemälde des Künstlers Antoine
Wiertz. Im Gegenzug schenkte der Künstler der Stadt diese Gemälde. Unter
König Leopold II, dessen Kassen sich in der Kolonialzeit durch die Eroberung
Belgisch-Kongos enorm füllten, nahm man auch den Bau eines gewaltigen
Boulevards in Angriff, dem die kleinen Leute mit ihren Häusern weichen mussten.
– Für uns Comicleute mag der Abschnitt zum Jugendstil-Architekten
Victor Horta etwas Besonderes sein, da sich in einem von Horta
entworfenen Warenhaus in Brüssel das Belgische Comiczentrum mit seinen
prächtigen Ausstellungsräumen befindet. – Mit seinen erstaunlichen, dem
Perfektionismus zuneigenden Zeichnungen liefert François Schuiten,
selber Sohn eines Architekten, allen Erklärungen dieses Buches eine
eindrucksvolle Begleitung.
Grenzverkehr - Comic und Bildende Kunst (Dietrich Grünewald, Christian A. Bachmann Verlag 2024, 328 S., HC, farbig)
Mit den Fragestellungen "Warum zitiert die Bildende Kunst Comics?" und "Warum
zitieren Comics die Bildende Kunst?" steigt der Autor in eine umfassende Schau
an Beispielen ein, die den Austausch, den "Grenzverkehr" zwischen den
genannten, getrennt zu sehenden Kunstformen ausleuchten. Doch zuvor klärt der
Autor gründlich, was hier unter Bildende Kunst und was unter
Comic beziehungsweise Bildgeschichte zu verstehen
ist. Dabei werden Auffassungen von dem wiedergegeben, was Kunst eigentlich
sei. Klar, mittlerweile unbestritten wird auch Comic als Kunst verstanden, als
etwas, was menschlicher Kreativität entspringt. Über die jeweilige künstlerische
Qualität lässt sich dann streiten. Wie bei jedem Kunstwerk hängt das vom
Zeitgeist, Betrachter, Intention der KünstlerInnen usf. ab. Interessant ist hierzu
eine Meinung von 1912: "Ein Kunstwerk ist umso besser, um so mehr Zeit wir
brauchen, es vollständig zu verstehen, um so häufiger die Freude haben, in ihm
neue Gründe für unsere Bewunderung zu finden." Einige "Flash"-Comics, die wir
nie verstanden haben, sollten in unserer Wertschätzung also steigen, unsere
Verwunderung könnte wohlmeinend in Bewunderung umschlagen. Doch eher wird
man man bei der Einschätzung von Qualität wohl auf das Originelle an einem
Kunstwerk achten, was ein Patentamt als "Erfindungshöhe" bezeichnet. –
Überraschend ist dann die Anmerkung des Autoren, der Comic sei ein "Kind der
US-amerikanischen Zeitungen zu Ausgang des 19. Jahrhunderts". Das kennt man
eigentlich anders, wo man doch zumindest "Max und Moritz" (1865) oder "Les
Amours de Monsieur Vieux-Bois" (1827) schon längst in die Geschichte des Comic
eingereiht sieht (s. Wilhelm-Busch-Museum). Die Verblüffung über diesen
Ansatz des Autors legt sich etwas, wenn man dann lernt, dass er als Oberbegriff
für das, was gemeinhin Comic genannt wird, das Wort
Bildgeschichten nutzt. Demnach wäre Comic eine in den USA
entstandene Erscheinungsform der Bildgeschichte. Die Begriffswelt umzuordnen
ist schwierig, aber versuchen kann man es ja. – Was in dem überaus
lesenswerten Buch in den nachfolgenden Kapiteln dann an Beispielen folgt,
öffnet einem die Augen darüber, wie vielgestaltig und absichtsvoll Kunstformen
aufeinander zugreifen können.
Deutsche Comicforschung 2025 (Eckart Sackmann (Hg.), comicplus+ 2024, 144 S., HC, farbig)
Dass das jährlich erscheinende Buch zur Deutschen Comicforschung
besondere Fundstücke vorstellt und bis dato verborgene Hintergründe aufdeckt,
das ist man schon gewohnt. In diesem 21. Band kommt noch einiges an sehr
Kritikwürdigem, an Kuriosem, an Erinnerungen und bisher Unbeachtetem hinzu.
Zum einen sind das Bilderzählungen, die sich auf Notgeldscheinen der 1920er
Jahre finden, oder Simultanbilder auf den reißerischen Einblattdrucken aus der
Mitte des 16. Jahrhunderts, quasi den Vorläufer der BILD-Zeitung, oder auch
SPD-Wahlpropaganda von 1930. Zum anderen ist es die detaillierte Beschreibung
der Weise, wie die Presseleute der Propagandablätter aus der NS-Zeit in der
Bundesrepublik unbeschadet wieder auf die Füße fielen. So wie in der
Nachkriegsjustiz viele vormalige Nazi-Richter wieder in die Gerichtsstuben
einzogen, so gelangten auch Journalisten und Zeichner, die in Blättern wie
"Signal", "Das Reich" oder "Pinguin" zu "Goebbels willigen Helfern" wurden, mit
"Persilscheinen" weißgewaschen zurück in die Büros der Illustriertenpresse. Ein
mit vielen Belegen versehener Abschnitt zum vorgenannten Thema beschäftigt
sich ausführlich mit dem Werk des Zeichners Erich Ohser (e.o.
plauen). Das von ihm übermittelte Bild seines Schicksals stellt oft nur seine
Veröffentlichung von "Vater und Sohn"-Geschichten und seinen Suizid in der
Gefängniszelle dar. Zu seinem Berufsweg gehören aber auch seine Arbeiten für
die Nazi-Propaganda. "Das Wahre ist das Ganze", sagte schon Hegel. (adi)
>> Inhaltsangabe Deutsche Comicforschung 2025
Deutsche Comicforschung 2024 (Eckart Sackmann (Hg.), comicplus+ 2023, 144 S., HC, farbig)
Deutsche Comicforschung 2005-2024 (Eckart Sackmann, comicplus+ 2023, 64 S., HC, farbig)
"Nun ist sie froh und ohne Sorgen, denn siehste, er hat nichts gemorken!" So
stand es 1913 geschrieben. In der diesjährigen Umschau zu neuen Funden der
Comicforschung findet auch Werbecomic für Margarine seinen Platz, hier also für
die zweifellos leckere Palmona. Dabei wusste man 1937 noch gar
nicht, wie man diese Form der Werbung überhaupt nennen sollte und behalf sich
mit der Bezeichnung "Reihenbilder-Anzeige". Zu diesem Thema wurden eine
Vielzahl von Belegen zusammengetragen, von der Werbung für Zahnpasta bis zu
Kaloderma und zur Krawatte, die man übrigens immer dabei haben
sollte, auch in der Badewanne. – Die neue, die zwanzigste Ausgabe
dieses Jahrbuches widmet sich schwerpunktmäßig jedoch dem Leben und Werk
von Zeichnern vor und während der NS-Zeit. Für antideutsche Propaganda im
Elsass arbeitete Henri Zislin (1875-1958) u. a. mit seinem Heft "Das Elsass als
Bundesstaat". In der 1934 erschienenen, satirischen Zeitschrift "Der Simplicus"
zeichnete József Jusztusz (1900-1944) in Prag gegen das Nazi-Regime an, sein
Leben endete in Auschwitz. Demgegenüber trat mit ekelhaft antisemitischem
Comic Fritz Hinterleitner (1906-1962) in Wien an die Öffentlichkeit; auch der
Mecki-Zeichner Wilhelm Petersen (1900-1987) war für die Nazis als SS-Soldat und
Propagandazeichner tätig. Was diese Zeichner wie ins Bild gesetzt haben, muss
man sehen, um darüber diskutieren zu können, um zu urteilen, um das Gute und
das Scheußliche voneinander unterscheiden und beschreiben zu können. Dafür
bieten sich die ausführlichen Artikel dieses Jahrbuchs zur Comicforschung wieder
einmal an. Hinzu kommt eine gründliche Recherche über die Vergangenheiten der
Nazis Hanns Erich Köhler (1905-1983) und anderer Zeichner des "Neuen
Simplicissimus", namentlich Olaf Iversen (1902-1959) und Otto Ifland (1913-
1976), die deren Nachruhm mehr als fragwürdig, vielmehr als nicht zu
rechtfertigen erkennen lassen. Es wurde Zeit, dass der Teppich, unter dem bisher
alles gekehrt wurde, angehoben wird. – An Werk und Leben eines heute
eher unbekannten Comiczeichners rettet das Jahrbuch eine Serie über einen
fiktiven Veteranen namens Mislowitz aus den Münchner Humoristischen
Blättern vor dem Vergessen. Die Folge humoriger Einseiter wurde 1887
von Alexander Strenitz (1860-1946) gezeichnet. – Als sehr nützliche
Ergänzung zur Reihe "Deutsche Comicforschung" ist dieses Jahr ein illustrierter
Registerband erschienen, in dem alle Artikel und Autoren der bisherigen Bände
verzeichnet sind. (adi)
Deutsche Comicforschung 2023 (Eckart Sackmann (Hg.), comicplus+ 2022, 144 S., HC, farbig)
Einen besonders erstaunlichen Fund, den das 19. Jahrbuch zur Comicforschung vorstellt, ist eine Bildrolle von um 1845, die eine 6,8 Meter lange Bildergeschichte von Gisela von Arnim und Hermann Grimm zeigt. Die Bedeutung dieses Fundstücks weiß der sprachgewandte Autor Friedrich Weltzien so gut zu erklären, dass einem die damalige "halböffentliche bürgerliche Kommunikationskultur" in ihrer Tragweite deutlich wird. Der Autor vergleicht den Fund mit Comicarbeiten von Rodolphe Töpffer, dessen Bilderzählungen nur wenige Jahre zuvor veröffentlicht wurden ("Histoire de M. Jabot", 1833). Weitere Entdeckungen, die das Buch präsentiert, stammen aus Kundenzeitschriften und Propagandamaterial der Vorkriegszeit. Aus der Nachkriegszeit liefern die Themen zu "Felix der Kater bei den Jungen Pionieren", zu den Comics von Jan P. Schniebel, die hinten auf die Rotfuchs-Taschenbücher gedruckt wurden, zu einem Hitler-Comic von 1978 und zur Geschichte des "ZACK"-Magazins (1972-1980) viel Gesprächsstoff und Anschauungsmaterial. Von einem Wunderautomaten, den Emmerich Huber 1928 zusammen mit einer Zeichenkunstmaschine in der "Blauband-Woche" im Einzelnen vorstellt und zeichnet, heißt es zur Entlastung des Textdichters der Redaktion: "Denn dieser Wunderautomat – Schreibt ihm Gedichte Blatt für Blatt. – Ob es nun Märchen sind, ob Witze, – Ob Abenteuer, Geistesblitze. – Das alles kommt, mit leisem Rauch, – Aus der Maschine Wunderbauch". Damit wurde das beschrieben, was nun hundert Jahre später als ChatGPT tatsächlich in die Hände von (arbeitsscheuen) Redakteuren gelangt. (adi)
Inhaltsangabe Deutsche Comicforschung 2023
Deutsche Comicforschung 2022 (Eckart Sackmann (Hg.), comicplus+ 2021, 144 S., HC, farbig)
In seinem Vorwort zur nunmehr 18. Ausgabe des Jahrbuchs zur Comicforschung geht der Herausgeber auf die Auswüchse "politischer Korrektheit" im Zusammenhang mit Comic und Comicforschung ein. Es versteht sich von selbst, dass Artikel über Comic zur Nazizeit auch solche Beispiele nennen und abbilden sollten, die die meisten inhaltlich (hoffentlich) als politisch unkorrekt empfinden, die aber als Teil der Geschichte des deutschsprachigen Comic nicht unter den Tisch fallen dürfen. Das betrifft zwei der zehn Artikel des vorliegenden Jahrbuchs: Im Beitrag über die Karikaturenagentur Interpress im NS-Pressewesen wird die ganze Riege an Zeichnern genannt und zum Teil näher vorgestellt, die für die NS-Propaganda arbeiteten. Dazu gehört neben Hans Kossatz und Manfred Schmidt auch Erich Ohser, der mit dieser Arbeit offenbar gut verdiente. Ein weiterer Zeichner der NS-Zeit, K. G. Richter, fertigte Bilderbogen über die heroischen Taten der deutschen Soldaten an der Front an und zeichnete auf, wie man sich in der Heimat verhalten solle. – An weiteren Comic-Entdeckungen fördert das Jahrbuch 2022 zutage, was alles in den arabesken Bild-Erzählungen von Eugen Napoleon Neureuther steckt (erstaunlich!), dass es mit Theodor Hosemanns "Herr Fischer auf dem vereinigten Landtage" einen Vorläufer von "Thaten und Meinungen des Herrn Piepmeyer" gibt, dass schon in den 1930er-Jahren viel Sprechblasencomic veröffentlicht wurde und wie viele gute Zeitungscomics bei den Hessischen Nachrichten nach dem Krieg entstanden und erschienen. (adi) Inhaltsangabe Deutsche Comicforschung 2022
Draw What You Love (Simone Grünewald, Carlsen 2022, 192 S., SC, farbig)
Die aus Hamburg kommende Illustratorin Simone Grünewald arbeitete zehn Jahre lang als Zeichnerin bei einem erfolgreichen Computerspielehersteller. Die Belegschaft dieser Firma halbierte sich in den Jahren 2017 und 2018. Ende 2018 beendete auch Grünewald ihre dortige Mitarbeit. Ihr respektables Können und umfangreiches Fachwissen ermöglichten ihr einen gelungenen Schritt in die Freiberuflichkeit. An ihrem weiteren Werdegang wird deutlich, wie wichtig verschiedene Internet-Plattformen und die "Vernetzung" in ihnen für das berufliche Fortkommen sein können. Mit Crowdfunding kommt 2019 ihr erstes Zeichenbuch "Sketch Every Day" zustande, das 2020 auch in Deutsch herauskommt. Jetzt, Anfang 2022, erscheint ein zweites Buch von ihr in Deutsch unter dem englischsprachigen Titel "Draw What You Love", das sich durch ansprechende Aufmachung und gut erklärende Texte ebenfalls zur Motivation von ZeichnerInnen anbietet, die sich in dieses Arbeitsfeld hineinfuchsen möchten. Hervorzuheben sind die zahlreichen Anregungen zu Material, Werkzeug und zu handwerklichem Tun, die sich im Buch finden. Der Umgang mit Photoshop und Procreate und der Einsatz vom Grafiktablett gehören für Grünewald zum Arbeitsalltag. Ihre Hinweise zu Anatomie, Muskeln, Haltungen, Kleidung und Hintergründen lassen auf ihre Herkunft aus der Computerspielbranche schließen, in der eine gefällige, wirklichkeitsnahe Gestaltung erwartet wird. Einen ganzen Comic mit diesem detailfreudigen Aufwand zu zeichnen, dürfte eine Herausforderung sein. Als nützlich erweist sich das Kapitel "Preise" für die angehenden IllustratorInnen zumindest hinsichtlich erster Orientierung. Hier rechnet Simone Grünewald an Beispielen vor, wie viel sie für ihre Arbeit in Rechnung stellen kann. Bei einem Stundensatz von mindestens 50 Euro pro Stunde, der in Deutschland empfohlen wird, sollte eine farbige Comicseite gut 500 Euro und ein 48-seitiges Album folglich 24.000 Euro einbringen (brutto). Wie realistisch das ist, könnte man den ICOM fragen, der 2019 einen neuen Ratgeber zu dem Thema herausgab. (adi)
Tarzan in deutschsprachigen Medien (Detlef Lorenz, Edition Comicographie 2021, 156 S., HC, farbig)
Lang ist's her, seit Detlef Lorenz sein erstes Buch über Tarzan vorlegte: 1977 erschien mit "Alles über Tarzan" in der Edition Corsar dieses auch erste Buch zum Thema in Deutschland. Angefangen hatte Lorenz 1973 mit einem Vortrag über den Dschungelhelden, vier Jahre intensiver Beschäftigung später folgte dann das Buch, für das er alles über die "Bücher, Filme und Comics" zusammengetragen hatte, was man damals in Deutschland wissen konnte. Und wenn der Autor jetzt ein weiters Sekundärwerk über Tarzan vorlegt, ist das, auch wenn der Untertitel und die Gliederung gleichgeblieben sind, weit mehr als eine aktualisierte Neuauflage – die Quintessenz einer fast lebenslangen Beschäftigung mit einem Helden der Trivialliteratur sozusagen. Der Herr des Dschungels lebt immer noch, und das sehr erfolgreich. Nicht nur viel Neues im Comicbereich oder in Film und Fernsehen ist inzwischen dazugekommen, Lorenz präsentiert Comics und Filme in großer Detailgenauigkeit (Listen und Daten im 3. Teil), hat vor allem zu den Filmen viel Interessantes zutagegefördert und vertieft ganz unterschiedliche Aspekte in Text und Bild. Gerade in den Bildern liegt ein ganz besonderer Schwerpunkt, und das ist bei diesem Thema auch gut so: Neben wunderschönen Illustrationen und Bildbeispielen für die unterschiedlichen Bearbeitungen und Eingriffe in deutschen Veröffentlichungen finden sich ganze Galerien von Roman- und Comic-Titelbildern, von Filmplakaten und Filmprogrammen. Und hier gibt es auch den einzigen Kritikpunkt am Buch: Viele Abbildungen sind sehr kleinformatig, einige sind zudem sehr dunkel reproduziert. Aber wenn ich mir persönlich besonders die tollen Filmplakatmotive größer gewünscht hätte, relativiert sich zumindest der erste Teil der Kritik auch schon wieder. Man kann es eben nicht jedem recht machen. Was der interessierte Käufer erwirbt, ist jedenfalls ein opulent bebildertes und informativ geschriebenes Buch, das sich spannend liest, in das man immer wieder gern hineinblättert und das auch als Nachschlagewerk seine Dienste tut. Schade, das sei noch angemerkt, daß der Autor mit Blick auf den Umfang des Buches ganz bewußt auf Randgebiete – Stichworte: Plagiat, Parodie, Vermarktung – verzichtet hat, zu denen sich im alten Band noch einiges finden läßt. (hjk)
Max & Luzie – Ein Comic macht Geschichte (Siegmund Riedel (Hg.), Stefan Riedl 2019, 248 S., SC, farbig)
Lang, lang ist's her, da bot die Allianz-Versicherung ihren Kunden einen ganz
besonderen Werbecomic. Von 1983 bis 2002 erlebten "Max & Luzie" mit dem
Erfinder Kieks und seinem Zeitfahrrad in insgesamt 74 Ausgaben viermal im Jahr
Abenteuer, bei denen es sie jeweils in eine andere Epoche der Weltgeschichte
verschlug. Die Serie hatte gute Geschichten (von verschiedenen Autoren, vor
allem aber von Monika Sattrasai), wunderbare Zeichnungen von Franz Gerg (für
einen Werbecomic eigentlich viel zu schade) und war lehrreich (was begleitende
Infoseiten zum Thema noch unterstrichen), und viele Allianz-Kunden –
nicht nur junge Leser – dürften schon immer gespannt auf das neue Heft
gewartet haben.
Nun hat sich Siegmund Riedel, ausgewiesener Experte in
Sachen Werbecomics, dieser Serie angenommen und seiner Lieblingsserie einen
voluminösen Band gewidmet, ein Buchprojekt, das dem interessierten Leser viel
zu bieten hat. Seinem Enthusiasmus für "Max & Luzie" gelang es, eine ganze
Reihe von Mitarbeitern zu gewinnen, Fans und Comicspezialisten, die zusammen
mit ihm in ganz unterschiedlichen Kapiteln alle nur erdenklichen Aspekte der
Serie zu einem großen Mosaik verdichtet haben. Mehr Information kann man sich
nicht wünschen. Und zudem ist der Band reichhaltig illustriert, nicht nur mit den
Zeichnungen Gergs, die im Detail zu betrachten sich immer wieder lohnt, sondern
auch mit Abbildungen seiner jeweiligen zeichnerischen Inspiration aus anderen
Comics, zu der sich Gerg auch freimütig bekennt. Dazu kommen Fotos, Skizzen
und eine umfangreiche Sammlung (51 Seiten!) von Hommagen von bekannten
und unbekannten Künstlern aus Deutschland und dem angrenzenden Ausland,
darunter auch sehr bekannte Comiczeichner, die Franz Gerg und Max & Luzie ihre
Reverenz erweisen. Siegmund Riedels Begeisterung für Serie und Projekt, die er
dem Leser überzeugend zu vermitteln weiß, hat ganz offenbar auch jene gepackt
und zu sehr schönen Ergebnissen geführt.
Die alten Hefte lassen sich mit
etwas Geduld noch antiquarisch erwerben. Aber noch schöner wäre natürlich eine
Neuauflage oder gar Gesamtausgabe, die der Qualität dieser Serie angemessen
ist. Träume sterben nie... (hjk)
Das Logbuch des Robinson Crusoe (Detlef Lorenz, Edition Alfons 2015, 256 S., SC, farbig)
Daniel Defoes Romanheld Robinson Crusoe – das ist auch so eine Figur, die uns allen in vielfältiger Form vertraut ist: als Buch, aber auch aus Film und Fernsehen und aus Comics. Eine Comic-Adaption entstand in Deutschland und lief mit 125 Heften von 1953 bis 1960 (und weiter mit Nachdrucken bis 1964). Zeichnerisch und inhaltlich betreut zunächst von Willi Kohlhoff, doch schon bald von Helmut Nickel, gilt diese Serie, in der nach der Nacherzählung des Romans Robinson neue Abenteuer in allen Ecken der Welt erleben sollte, als Klassiker der deutschen Comicgeschichte, ein Status, den sie den Geschichten und vor allem Zeichnungen Helmut Nickels, einem der herausragenden deutschen Zeichner, zu verdanken hat.
Nachdem gerade der langgehegte Traum, Nickel selbst die damals abgebrochene Geschichte mit Heft 126 zu Ende zeichnen zu lassen, in einem kleine Fanverlag in Erfüllung gegangen war, fand Detlef Lorenz, seit der (Wieder)Entdeckung des Zeichners mit diesem persönlich befreundet, es an der Zeit, die Serie in einer Gesamtdarstellung zu würdigen. Dem passend gewählten Titel eines Logbuchs entspricht die Gliederung, in der neben einigen Exkursen die Serie der Reihe nach von Heft 1 bis Heft 125 unter die Lupe genommen wird. Nach einer ausführlichen Inhaltsangabe folgen ein Kommentar, der mit großer Liebe zum Detail die unterschiedlichsten Aspekte anreißt, sowie oft Verweise auf das Zeitgeschehen, auf wichtige Ereignisse des jeweiligen Monats aus (populärer) Kultur und Politik, ganz persönlich geprägt von den Erinnerungen des Verfassers. Die vielen Abbildungen berücksichtigen nicht nur die schönen Titelbilder Nickels und einzelne Panels, sondern auch Bildbelege (wenn auch sehr kleinformatig) zum dritten Abschnitt und ermöglichen damit den Blick über den Tellerrand, den Blick auf Kino und Trivialliteratur jener Zeit. Insgesamt entstand so ein ebenso informativer wie nostalgischer Rückblick auf eine große deutsche Comicserie und ihre Zeit, die fünfziger Jahre. (hjk)
Inhaltsangabe Robinson Crusoe
Deutsche Comicforschung 2021 (Eckart Sackmann (Hg.), comicplus+ 2020, 144 S., HC, farbig)
Alle Jahre wieder erscheint vor Weihnachten das Jahrbuch "Deutsche Comicforschung" und stellt die aktuellen Ergebnisse der Recherchearbeit zur Geschichte des Comic und der frühen Bilderzählung bildreich dar. Den Lebenswegen von Zeichnern und Autoren wird aufwendig nachgegangen, ihr Werk beschrieben und mit ausreichend vielen Abbildungen ihres Schaffens belegt. In der siebzehnten Ausgabe 2021 geht es von der Überlegung, ob der Schneiderbalken im Kölner Dom ein Simultanbild sei, über die Vorstellung der Zeichner Karl Klietsch, Fritz Baumgarten, Adolf Uzarski, Ladislaus Tuszynski, Franz Jüttner und Jonny Reinisch und einer Abhandlung zur Entstehung und Wirkung des 1971 erschienenen Buches "Comics, Anatomie eines Massenmediums" bis zu Bernd Pfarr, dessen regelmäßiges Comicschaffen in aberhunderten von Comicseiten sichtbar wurde. Den angesichts der queer-feministischen Initiativen in der ComFor nötigen einleitenden Worten des Herausgebers folgt als Abschluss des Buches ein Beitrag über die Geschichte der Comiczeichnerinnen bei uns. Erst seit dem Erfolg von Manga und Graphic Novel hörte mit u. a. Isabel Kreitz, Christina Plaka, Judith Park, Ulli Lust, Barbara Yelin endlich die Zeit auf, in der eine Comiczeichnerin als etwas Exotisches auffiel. Das Jahrbuch zur Comicforschung mag auch als Geschichtsbuch gesehen werden, das die Vergangenheit mit ihrer Comicwelt in Erinnerung ruft und damit den jeweiligen Zeitgeist verdeutlicht. (adi)
Inhaltsangabe Deutsche Comicforschung 2021
Sekundärliteratur Comic und Film
(o) comicforscher.de, Hildesheim 2021 bis 2025